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Tierarztrecht: „Allgemeine Ausgangssperre und die rechtlichen Folgen“

Viele europäische Länder, darunter Spanien und Frankreich, haben bereits eine Ausgangssperre verordnet. Bislang haben nur zwei Städte in Deutschland Ausgangssperren verhängt. Freiburg in Baden-Württemberg und Mitterteich in Bayern. Beide Städte befinden sich wegen der Corona-Krise in Ausnahmezuständen. (Stand: 20.03.2020)

Nachfolgend beantworten wir die wichtigsten rechtliche Fragen für Tierhalter, Tierarztpraxen und Tierkliniken, die sich im Zusammenhang mit einer allgemeinen Ausgangssperre stellen.

Was bedeutet eine Ausgangssperre?
Das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG) regelt unter anderem auch Schutzmaßnahmen, unter welche auch die Ausgangssperre fällt.

Dreh- und Angelpunkt ist der § 28 IfSG, der die Bundesländer zu allerlei Schutzmaßnahmen ermächtigt. Nach dieser Vorschrift können die zuständigen Behörden „auch Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind“.

Konkret bedeutet eine Ausgangssperre: Menschen dürfen ihre Wohnungen oder Häuser nicht mehr „ohne triftigen Grund“ verlassen.

Erlaubt sind unter anderem noch:

  • Hin- und Rückweg zur jeweiligen Arbeitsstätte mit Bescheinigung des Arbeitgebers
  • Einkäufe für den Bedarf des täglichen Lebens
  • Besuche von Arztpraxen, Sanitätshäusern, Optiker, Hörgeräteakustiker und Gesundheitspraxen (z. B. Physiotherapieeinrichtungen)
  • Apothekenbesuche
  • Besuche von Filialen der Deutschen Post
  • Tanken an Tankstellen
  • Geldabheben bei Banken
  • Hilfeleistungen für Bedürftige
  • Feuerwehrkräfte und Rettungskräfte auf dem Weg zum Stützpunkt oder Einsatzort
  • Notwendiger Lieferverkehr
  • Abgabe von Briefwahlunterlagen
  • Unabdingbare Versorgungen von Haustieren

Tierhalter dürfen also während einer angeordneten allgemeinen Ausgangssperre weiterhin mit ihren Haustieren Gassi gehen und ihre Haustiere zur Versorgung in eine Tierarztpraxis bzw. Tierklinik bringen.

Welche Geschäfte dürfen weiter öffnen?
Seit Mittwoch sind in allen Bundesländern die meisten Geschäfte zu. Ausgenommen sind Lebensmittelläden und Geschäfte, die für die alltägliche Versorgung nötig sind. Als Ausnahmen zählt die Bundesregierung: Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Banken, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Postfilialen, Tierbedarf, Bau- und Gartenmärkte, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Reinigungen, Online-Handel.

Zudem wird weiterhin in Einrichtungen gearbeitet, die der Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung und der Pflege sowie der Behindertenhilfe, Kinder- und Jugendhilfe, der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einschließlich der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr (Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz), der Sicherstellung der öffentlichen Infrastrukturen (Telekommunikationsdienste, Energie, Wasser, ÖPNV, Entsorgung) und der Handlungsfähigkeit zentraler Stellen von Staat, Justiz und Verwaltung dienen.

Zählen Tierarztpraxen und Tierkliniken zu den Einrichtungen der Gesundheitsversorgung?
Der geregelte Beruf „Tierarzt“ wird in der Bundesrepublik zwar den Heilberufen (Art. 74 Abs. 1, S. 1, Nr. 19 Grundgesetz) zugerechnet. Immer wieder umstritten jedoch ist, ob ihn das automatisch auch zum Gesundheitsberuf macht.

Der Sachverhalt ist auf Bundesebene bekannt und soll bei möglichen zukünftigen Maßnahmen berücksichtigt werden.

Letztlich werden die Landkreise und kreisfreien Städte dies im Rahmen der Zuständigkeit nach dem IfSG selbst entscheiden müssen, wenn keine einheitliche Regelung durch die Bundesregierung erfolgen sollte.

Eine abschließende und eindeutige Klärung/Zusage liegt bisher nicht vor.

Stehen Tierarztpraxen und Tierkliniken Entschädigungsansprüche bei einer allgemeinen Ausgangssperre zu?
Diese rechtlich brisante Frage kann derzeit nicht abschließend beantwortet werden.

Zwar sieht der § 56 Abs. 1, S. 1 IfSG einen Entschädigungsanspruch gegen die zuständige Behörde, meist den Bezirksregierungen, vor, der maßgebliche Paragraf findet aber nur Anwendung auf Personen, die als Ausscheider, Ansteckungsverdächtige, Krankheitsverdächtige als sonstige Träger von Krankheitserregern infektionsschutzrechtlichen Berufsverboten oder Quarantänisierungen unterworfen werden und dadurch einen Verdienstausfall erleiden.

Ob diese Voraussetzungen im Hinblick auf die Schließungen von Tierarztpraxen bzw. Tierkliniken erfüllt sein werden, obwohl kein berufliches Tätigkeitsverbot nach § 31 S. 2 IfSG und keine Quarantäne angeordnet wurden, ist zumindest fraglich.

Es empfiehlt sich dennoch vorsorglich einen Antrag auf Entschädigung nach § 56 Abs. 1, S. 1 IfSG zu stellen.

Bezüglich der Vergütung von Arbeitnehmern während einer allgemeinen Ausgangssperre verweisen wir auf unseren Beitrag „Arbeitsrechtliche Auswirkungen aufgrund des Coronavirus“.

gez. Rechtsanwalt Benjamin Kranepuhl