Wegweisendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Reisezeit = Arbeitszeit
Wegweisendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Reisezeit = Arbeitszeit
Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) dürfte derzeit manche Arbeitgeber aufhorchen lassen. Denn diese hat eine immer wieder brisante Fragestellung zum Inhalt: sind Reisezeiten als Arbeitszeiten zu werten und dementsprechend zu vergüten?
Das BAG hatte diese Frage im Zusammenhang mit einer Auslandsreise zu beantworten.
In dem vorliegenden Sachverhalt wurde ein Arbeitnehmer zu einem Arbeitseinsatz ins weit entfernte China entsandt. Der Arbeitnehmer war – gemessen von seiner Wohnung bis zum auswärtigen Einsatzort und wieder zurück – insgesamt 37 Stunden mit An- und Abreise beschäftigt.
Der Arbeitgeber wertete diese Zeiten als Freizeit und verweigerte daher eine entsprechende Vergütung.
Das BAG stellte sich nun auf die Seite des Arbeitnehmers: Reisen zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dort zurück lägen ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers und seien deshalb in der Regel wie Arbeit zu vergüten. Dies treffe aber selbstverständlich nur auf die Reisezeit zu, die tatsächlich erforderlich gewesen sei – in dem vorliegenden Fall hatte der Arbeitnehmer auf eigenen Wunsch noch einen Umweg mit Zwischenstopp in Dubai eingelegt, statt den kürzeren Direktflug zu wählen. Die hierdurch entstandene Verzögerung dürfte im Ergebnis wohl als Privatvergnügen zu werten bei der Vergütung nicht zu berücksichtigen sein.
In der tierärztlichen Praxis dürfte die Vergütung von Reisezeiten zu einem ausländischen Arbeitseinsatz in der Regel kaum eine Rolle spielen – dennoch ist das Thema „Reisezeiten = Arbeitszeiten?“ auch hier von großer Relevanz.
Insbesondere in Großtierpraxen sind die Arbeitnehmer in erheblichem zeitlichen Maße mit der Anreise zum Kunden beschäftigt.
Auch diese Reisezeiten sind grundsätzlich als Arbeitszeiten zu werten und müssen daher nicht bloß vergütet werden, sondern sich zudem im arbeitszeitrechtlich zulässigen Rahmen bewegen.
Denn hier ist die Fahrt mit dem Pkw zum Kunden zwingend erforderlich, um den Arbeitsauftrag auszuführen.
Anders gestaltet sich die Lage aber, wenn die Anreise mit dem Pkw nicht zwingend erforderlich oder angeordnet ist und der Arbeitnehmer ebenso durch Inanspruchnahme von öffentlichen Verkehrsmitteln ans Ziel gelangen und sich diese Reisezeit nach Belieben vertreiben kann, er also während der Reise keine Arbeiten zu verrichten hat.
In dieser Konstellation stellt die Reisezeit regelmäßig keine Arbeits-, sondern Freizeit dar und wird in der Konsequenz nicht vergütet.
Auch, wenn der Arbeitnehmer trotz der vorhandenen Möglichkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen und sich währenddessen auszuruhen, freiwillig auf das Reisemittel Pkw zurückgreift, ist die in diesem Zusammenhang aufgebrachte Reisezeit nicht als Arbeitszeit zu werten.
Hält man sich diese Grundsätze vor Augen, so weicht das oben zitierte Urteil des BAG von der bisherigen Praxis ab: der Arbeitnehmer war mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs und konnte seine Zeit frei gestalten. Dennoch sind hier nach Auffassung des BAG die aufgebrachten Reisezeiten – da es sich um eine Auslandsreise handelte – als Arbeitszeiten zu werten, die einen entsprechenden Vergütungsanspruch nach sich ziehen.
(BAG, Urteil vom 17.10.2018, Az.: 5 AZR 553/17).